Pressemitteilung 2019/254 vom

In der achten Klasse wurde Jonas Warneke klar, dass er Chemiker werden möchte. Er begann mit 14 Jahren, die Chemiebücher der Oberstufe zu studieren und belegte später selbstredend den Leistungskurs Chemie. Seine Passion ist heute sein Beruf, den er mit Engagement und der gleichen Leidenschaft wie damals erfüllt. Warneke ist mittlerweile 33 Jahre alt und hat bereits eine steile wissenschaftliche Karriere hinter sich. Am 1. Januar 2020 startet seine Nachwuchsforschergruppe am Wilhelm-Ostwald-Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Leipzig ihre Arbeit, ausgestattet mit einem komfortablen Freigeist-Fellowship der Volkswagenstiftung in Höhe von 1,8 Millionen Euro in den kommenden fünf Jahren plus einer Anschlussförderung von weiteren 400.000 Euro.

Dies war nicht das einzige hochkarätige Förderangebot, das der junge Ausnahmeforscher an Land gezogen hat. Er konnte zwischen dem Freigeist-Fellowship und einem anderen attraktiven Förderprogramm wählen und entschied sich letztlich für das der Volkswagenstiftung. Vergeben wird es seit fünf Jahren an herausragende Nachwuchswissenschaftler, die sich vom Mainstream absetzen und bewusst risikoreiche Forschungsfragen angehen. Warneke konnte von den neun diesjährigen Preisträgern die höchste Fördersumme einwerben und ist der bislang einzige Vertreter aus der „klassischen“ Chemie. „Das Freigeist-Fellowship ermöglicht es mir, das zu machen, wovon ich immer geträumt habe“, sagt Warneke, der im niedersächsischen Vechta geboren wurde und an der Universität Bremen Chemie studiert hat.

Bereits seit Jahren sucht er nach Wegen, maßgeschneiderte Molekülstrukturen aufzubauen, wie es die klassische Chemie im Kolben nicht vermag. „Es wäre doch großartig, wenn man Moleküle wie Lego-Bausteine zusammensetzen könnte“, umreißt Warneke sein Forschungsziel. Dazu spaltet er in einem Massenspektrometer Moleküle und verbindet dann eines der dabei entstandenen Fragmente mit einem anderen Molekül, um eine neue Substanz zu erhalten, die er dann einsammelt, anreichert und aus dem Massenspektrometer herausholt.

Was so einfach klingt, ist in der Praxis äußerst knifflig. „Es ist sehr schwierig, genügend solcher Molekülbruchstücke zu erzeugen, und diese sind dann häufig so instabil, dass sie sofort an der Luft abreagieren. Unsere Forschung soll ermöglichen, diese Molekülfragmente so zu stabilisieren, dass sie als Bausteine für die Herstellung wertvoller neuer Substanzen und Materialien verwendet werden können“, erklärt Warneke das Novum. Bisher, so sagt er, seien diese Molekül-Bruchteile hauptsächlich genutzt worden, um Substanzen zu identifizieren und nicht, um neue Substanzen herzustellen. Perspektivisch könnte dies beispielsweise zur Entwicklung von Prototypen für Krebsmedikamente oder zur Herstellung neuer Funktionsmaterialien für Sensoren, moderne Batterien und Katalysatoren dienen.

„Das ist eine Methode, die ganz neue Möglichkeiten für das Aufbauen von Molekülen bietet“, betont Warneke, der bereits seit einem Jahr mit einem Feodor-Lynen-Rückkehrer-Stipendium an der Universität Leipzig forscht. Zuvor war er drei Jahre als Humboldt-Stipendiat in den USA wissenschaftlich tätig, wo er die Grundlage für sein jetziges Vorhaben legte. Im Laufe seiner noch jungen Karriere hat Warneke bereits einiges erreicht. Schon als Schüler erhielt er mehrere Preise, seine Doktorarbeit wurde mehrfach ausgezeichnet, und für seine Postdoc-Zeit hatte er auch bereits die Wahl zwischen mehreren hochkarätigen Förderungen. „Wir freuen uns außerordentlich, diesen vielversprechenden Wissenschaftler mit seiner zukunftsweisenden Forschung für das Wilhelm-Ostwald-Institut gewonnen zu haben“, sagt Prof. Dr. Knut Asmis, Physikochemiker an der Universität Leipzig. Er empfindet die schon seit mehreren Jahren andauernde Zusammenarbeit mit Warneke als „große Bereicherung“.

Warneke zog zusammen mit seiner Familie, darunter seine in den USA geborene dreijährige Tochter, vor einem Jahr nach Leipzig und will hier auch vorerst nicht weg. Die Universität Leipzig bietet ihm gute Perspektiven: Der junge Forscher wird in das sogenannte Tenure-Track-Programm aufgenommen, das ihm nach seiner Nachwuchsgruppen-Förderung eine Professur auf Lebenszeit in Aussicht stellt. Darüber hinaus bietet eine Kooperation mit dem Leipziger Leibniz Institut für Oberflächenmodifizierung zusätzliche Möglichkeiten, verschiedene Anwendungen seiner Forschung zu testen.

Das außergewöhnliche Verständnis für chemische Prozesse ist übrigens nicht sein einziges Talent. Er spielt auch Geige und musiziert ab und an gemeinsam zu Hause mit seiner Frau, die Piano spielt. Sie ist ebenfalls Chemikerin und als Gastwissenschaftlerin an der Universität Leipzig tätig.