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Immer wieder hat in der Vergangenheit der Freistaat national und auch international mit Schlagzeilen auf sich aufmerksam gemacht, die ein deutliches Bild zeichnen: Sachsen hat ein Problem mit dem Rechtsextremismus. Der Handlungsbedarf ist dementsprechend groß und deshalb hat die Landesregierung an der Universität Leipzig ein Landesforschungsinstitut gegründet. Sehr schnell kamen darauf Reaktionen: Sollen Sachsens Bürger belehrt werden? Ist das ihnen gegenüber nicht ein Misstrauensvotum? Besteht jetzt ein Generalverdacht? Was ist mit dem Linksextremismus und wie steht es überhaupt um religiösen Extremismus? Viele Fragen schlossen sich an und auf einige soll in diesem Blog-Beitrag Antwort gegeben werden.

Die sächsische Bevölkerung unterstützt in der überwiegenden Mehrheit die Demokratie, man muss ihr nicht misstrauen. Es geht in unserer Arbeit um die Unterstützung dieser Zivilgesellschaft. Die am Else-Frenkel-Brunswik-Institut tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden mit den verschiedenen Forschungsbereichen die Menschen unterstützen, welche sich für die Demokratie und ihre Rechte einsetzen. Es geht um partizipative Forschung, also darum, mit den Betroffenen vor Ort zusammen entlang ihrer Fragen und Anliegen Untersuchungen durchzuführen. So sollen jene unterstützt werden, die sich für eine offene und liberale Gesellschaft einsetzen: von Frauenrechtsgruppen über die kirchliche Flüchtlingshilfe oder gewerkschaftliche Vertretungen im Strukturwandel bis hin zu Gemeinden, die sich gegen Antisemitismus und Verschwörungsmythen engagieren. Auf welche Schwierigkeiten stoßen sie, welche Chancen sehen sie, welchen Gefahren sind sie ausgesetzt? Damit sind auch Erfahrungen wichtig, die viele Menschen teilen: Wie erleben sie gesellschaftliche Umbruchsituationen? Wie kann man Umbruch gemeinsam gestalten? Wo haben sie Solidarität erlebt? Nicht wenige Menschen beschäftigt zum Beispiel nach 30 Jahren noch die Umbruchsituation von 1989, auch dann, wenn sie es als Nachwachsende nicht selbst erlebt haben. Die Namensgeberin des Instituts, die psychoanalytische Sozialpsychologin Else Frenkel-Brunswik, hat die Autobiografie- und Demokratieforschung wesentlich mit geprägt. Ergänzt wird diese Arbeit am Institut durch regelmäßige Einstellungsuntersuchungen und die Dokumentation anti-demokratischer Vorfälle, nicht zuletzt im Internet. In Veröffentlichungen sollen die Ergebnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

Wir sehen also nicht nur rechtsextreme Mobilisierung und Strukturen, über die informiert werden muss. Wir sehen auch, wie viele Menschen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt ringen und unterschiedliche Vorstellungen aufeinander treffen: Wie wollen wir zusammen leben? Wie kann Differenz ausgehalten werden? Was macht die Gemeinsamkeit aus? Dafür braucht es nicht nur Wissen, sondern gemeinsame Auseinandersetzung und themenbezogene Forschung. Was wir vom neu gegründeten Else-Frenkel-Brunswik-Institut beitragen werden, ist nicht nur die Dokumentation, Aufbereitung und Veröffentlichung von Wissen, sondern auch den Raum zu öffnen für die Unterschiedlichkeit und das gegenseitige Verständnis für die Gemeinsamkeiten. Wir wollen nicht Bürgerinnen und Bürger belehren, sondern das Verständnis für die eigene Position in einer Gesellschaft ermöglichen, in der viele Konflikte bestehen. Es ist zum Beispiel kein Zufall, dass nicht nur Sachsen und Deutschland durch die Vielzahl an Herausforderungen das Bedürfnis nach Grenzen und autoritären Lösungen wächst. Uns ist die Frage wichtig, wie diese Bedürfnisse zustande kommen und wie für sie demokratische Antworten gefunden werden können.

Deshalb beschäftigen uns mit den Bestrebungen, die sich gegen eine liberale und plurale Demokratie richten. Gegenwärtig sehen wir die größte Gefahr durch den Rechtsextremismus. Diese Entwicklung gilt nicht nur in Sachsen, sondern verdeutlicht sich auch im internationalen Vergleich: Autoritäre Forderungen und autoritäre Führerfiguren mobilisieren viele Menschen gegen die Demokratie. Diese einfachen Lösungen gibt es auch im religiösen Fundamentalismus, an manchen Stellen ist das Weltbild kaum vom Rechtsextremismus zu trennen. Aber seit etlichen Jahren besteht diese Bedrohung in Sachsen vor allem von rechts, das zeigen die Wahlergebnisse rechtsextremer Parteien, aber auch zahlreiche Gruppierungen, wie die später als “NSU” bekannt gewordene Terrorgruppe “Zwickauer Zelle”. In Sachsen gibt es eine verfestigte rechtsextreme Struktur. Gerade durch den über lange Zeit fast reflexhaften Verweis auf einen Linksextremismus wurde das Erstarken der extremen Rechten relativiert, sie konnten sich in ihrem Handeln oft genug legitimiert fühlen. Chemnitz brachte in weiten Teilen der Bevölkerung ein Umdenken, und es wäre falsch, jetzt in alte Verhaltensmuster zu verfallen. Die Verschwörungsideologien und der Antisemitismus als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie machen das Problem für jeden überdeutlich sichtbar: Es ist eine unangenehme Wahrheit, dass es der extremen Rechten gegenwärtig besonders gelingt, an Themen in der Mitte der Gesellschaft anzuknüpfen. Dieser Herausforderungen müssen wir uns Gesellschaft stellen.